Umschlagsgrafik: Siegfried Amtmann, * 1943 Voitsberg; 1957-62 LBA Graz, 1962-69 Lehrer an Volks- und Hauptschulen, 1967-69 Porträt- und Aktzeichnen bei Viktor Winkler, 1971-75 Pädagogik, Soziologie Uni Graz, 1976-95 Lehrer Päd. Akademie, 1970-77 Sezession Graz, ab 1977 Gruppe 77; 1970 Köflacher Förderungspreis, 1971 Förderungspreis Land Steiermark; Tätigkeitsbereiche: Geometrische Objekte / Wandobjekte / Reliefs / Skulpturen / Installationen / Abstrakte Malerei / Wandmalerei / Plakatgestaltung / Siebdruck / Performances /Gruppendynamische Seminare mit bildnerischen Prozessen zahlreiche Personal- und Gruppenausstellungen sowie Publikationen.



Sterz 109: Schönheit


Redaktion: Gernot Lauffer, Heinz Musker, Katharina Pieringer; Gestaltung: Gernot Lauffer; Schriften: News Gothic MT in 7, 10 Punkt (Text), Helvetica Ultra Light (Überschriften), Edwardian Script ITC (Autorennamen); Papier: LuxoArt Samt 1,05 Vol. 80g  (Kern) und 170g (Umschlag) von der Fa. Papyrus: Druckhaus Thalerhof; Netzmeister: Reinhard Weixler; Systembetreuer: Bernard Koschat <bobo@inode.at>.

Zu diesem Heft:

Die ‘Schönheit’ scheint in unserer Zeit ausgesprochen erklärungsbedürftig. Man könnte auch vermuten, dass sie sich in einer Krise befindet. Die Beiträge sind daher wie bei der ‘Krise’ und ganz im Gegensatz zum Freundschafts-Heft wieder ausgesprochen theorielastig. Mehrere fundamentale, wenn auch sehr unterschiedliche Beiträge haben sich der Schönheit theoretisch und historisch gewidmet, ohne dass sie dadurch so recht auf den Begriff gebracht werden konnte. Jedenfalls war die Ernte wieder ungemein schön, bunt sowie reichhaltig und stellte uns damit weit mehr als den antiken Paris bei seinem Urteil vor die Qual der Wahl.

Die Gestaltung des Heftes ist auch diesmal vom Thema bestimmt, fast jeder Text bekam die Funktion einer optischen und oft auch inhaltlichen ‚Rahmenhandlung’ für die Grafik. Einen Wettbewerb der Interpretation können wir uns diesmal bei so viel Offensichtlichkeit wohl ersparen.

Der STERZ-Dank gilt wieder allen schöngeistigen Beteiligten, den Zusendern der so schönen Beiträge in Essay, Prosa, Lyrik, Grafik, Foto/-Grafik, Plastik und ...; ein ganz besonders schönes Dankeschön gilt wieder denen, deren so schöne Beiträge nicht zum Zug kommen konnten, was hoffentlich unserer schönen Beziehung keinen unschönen Abbruch tut. Wie noch jedesmal mussten wir blutenden Herzens so manche gar nicht schöne Entscheidung treffen und damit unser jeweils wunderschönes Verhältnis gefährden.

Autor/in                              Beitrag                                                       Foto/Grafik/Objekt

Siegfried Amtmann             Umschlagsgrafik.                                      Siegfried Amtmann

Wolfram Orthacker            Blumenwiese.                                             Wolfram Orthacker

Redaktion Sterz                 Zur Schönheit.                                            Garfield Trummer  

Sterz Redaktion                 Impressum. Inhalt. Vorwort.                     Bernd Oberdorfer

Bernhard Hafner                Spontane Gedanken zur Schönheit.      Wolfram Orthacker

Hahnrei Wolf Käfer            Spieglein, Spieglein.                                  Carsten Lincke

Maria Gornikiewics            Trotzdem bin ich schön.                           Maria Gornikiewicz

Wieland Schmied               Was sagt uns Schönheit heute?             Rainer Reinisch

Karl Pauritsch                     Woher Schönheit?                                    Franz W. Amstler

Helmut Bartussek              Warum Schönheit?                                    Walter Felber

Erwin Fiala                         Eine (andere) Geschichte d. Schönheit. Typografie

E. Hödl & Th. P. Seybold   Schönheit … im Sinne des Rechts.        Bernhard Zilling

Manfred Moser                    I Schönheit / II Schönheits-.                  Franz Yang-Mocnik

Angela Flois                        Zur Ästhetik.                                           Elisabeth Kubin

Dirk Alt                                 Die Städteplaner. Wie alles noch viel ... Dirk Alt

Rainer Danzinger                Schrecklich schön.                                  Jacqueline Chanton

Bernhard Horwatitsch       Beautyfarm.                                              Josef Bauer

Roswitha Perfahl                Waxen.                                                      Wolfgang Victor

Thomas Tripold                  Schönheit der Seele als resonater ...      Chr. KRI Kammerhofer

Sabine Haupt                      Bodymodification.                                    Anat Rosenwasser

Alexander Peer                    Das Flüchtige, das Schöne.                    Christina Boula

Dirk Alt                                 Gebändigte Kräfte.                                   Dirk Alt

Maximilian Schwarz          Voll auf die Fresse, oder die Schönh...   Joac Bonin

Stefan Monhardt                An Ketten.                                                Jack Bauer

Elmar Mayer-B.                  Um Schönheit zu finden.                         Katrin Salentin

Gerhard Rühm                    Das schönste Gedicht.                            Brandstifter

Armin Sauseng                   Wilder Reim.                                              Brandstifter

Susanne Brandt                 Weit will ich werden.                                  Brandstifter

Crauss.                                 wildspur.                                                   Brandstifter            

Ana Schoretits                    Eitelkeit und eine Frage.                           Brandstifter

Wolfgang Wurm                 Alabaster.                                                    Brandstifter

Julian Schutting                 Denn was schön ist.                                  Ludmilla Bartscht

Michael Kanofsky               Schöne Tage in Berlin.                              Ludmilla Bartscht

Achim Amme                      Schönheitsflecken.                                    Ludmilla Bartscht

Klaus Roth                           nachsichtige stunden.                               Ludmilla Bartscht

David Hoffmann                 regenduft.                                                    Ludmilla Bartscht

Xaver Bayer                         Ohne Titel.                                                  Andreas Ortag

Ernst Kilian                          Aphrodite refurbished.                              Ulrike Theusner

Harald Retschitzegger       Der neue Trend.                                          Joanna Sab. Pisanska

Christian Enggassner        Falsches Leben, falsche Tür.                   Martin Staufner

Hubert Canaval                  Schöne Mathematik.                                 Elisabeth Gschiel

Jutta Pabst                          Ein Puppensieg.                                       Klaus Roth

C. H. Huber                          Leck Fettn.                                               Uwe Bülles

Ulrich Bergmann                Der goldene Schnitt.                                  Helene Schmaldienst

Gynther Riebl                      Die ungreifbare Gestalt.                           Therese Eisenmann

Saza Schröder                    Herzrasen – Ein Melodram.                      Gerhard Raab

Christian Pohlenz               Liebe auf der Höhe der Zeit.                     Michaela Kirchknopf

Paul Brettschuh                 Pedro, der Müller.                                      Michael Wegerer

Anna Felnhofer                   Fünf Schnitte, golden.                               Andrea Pierus

Kevin Höhn                          Genese der Mensch-Museen.                   Silke Traunfellner

Andr. Baumgartner               Singularität.                                               Hermann Graber

Peter Assmann                   Schönheit zu Folge.                                   Saza Schröder

Bülent Kacan                      Don Juan oder eine Art Selbstzerfl...      Markuss

Helene Schmaldienst        Über.                                                             Benjamin Nachtigall

Kurt Fleisch                         naturgemäß …                                           Onkel Susi

Peter Paul Wiplinger          Auf eine weiße Tasche aus Papier.        Peter Paul Wiplinger

Günter Eisenhut                  Don Pilimpos ... schönster Fang.                Günter Eisenhut

Kai G. Klein                          Nachtleuchtendes Metall.                        Herwig Tollschein

Reiner Mund                        Träumsommer.                                          Alicia Sancha

Sepp Porta                          Pallas Athene am Klo? oder Die ...         Julia Baldauf

Ingo Peyker                          Schönheit u. Hässlichkeit am Markt ...  Fria Elfen

Fridolin Purtscheller           Fremde Schönheit.                                    Fridolin Purtscheller

Timm Starl                          S. ist eine Frage der Anschauung.          Henri Le Seq           

Heinrich Klotzinger             Pictoralistische Portraits.                         Heinrich Klotzinger

Siegfried Amtmann             Umschlagsgrafik.                                     Siegfried Amtmann

Die STERZ-Redaktion zum Thema Schönheit

Schönheit und Hässlichkeit bedingen einander – nicht unbedingt. Schönheit kann auch aus dem Durchschnitt hervorstechen, dem weder ausgesprochen Hässlichen noch Schönen.

Schönheit ist ein ausgesprochen subjektives Empfinden – Was dem einen sein Nachtigall, ist dem andern sein Uhl – aus einem Gruppengefühl heraus, einer sozialen Übereinkunft, einem zwischenmenschlichen Zusammenhang, möchte man meinen. Aber immer wieder wird versucht, Schönheit zu objektivieren als ein Empfinden, das alle Menschen gemeinsam hätten. Erst jüngst wurde das Bild eines (japanischen) Mädchens von unterschiedlichsten Menschen in Asien, Afrika und (Süd-)Amerika einhellig als ‚schönstes’ gewählt. Dass da das euroamerikanische Geschmacksdiktat mitgewirkt haben könnte, dem sich Japaner(innen) nach dem 2. Krieg weitgehend unterworfen haben, wird dabei nicht diskutiert.

Der jeweilige Begriff von Schönheit entsteht innerhalb eines ästhetischen Kanons, dem Regelwerk einer Schicht, einer Religion, einer Kultur, einer Ethnie, eines Volkes, eines Staates – einer menschlichen Gemeinschaft eben. Bei den Architekten beispielsweise wird das Problem der >Schönheit< oft vehement diskutiert: Was ist schon schön?, relativiert der eine, Schön ist ein Weiberarsch. Dem Einwurf Nicht jeder! folgt ein lakonisches Eben.

Mit diesem (sexistischen) Diktum über den weiblichen Podex wird deutlich: Die (auch hormonbedingten) Vorlieben können nicht unterschiedlicher sein, wenn man einmal von einer groben Unterteilung der Urteilenden in männlich und weiblich absieht. Dazu kommen bei solchen Vorlieben ‚rassische’ Unterschiede, man denke nur an die Ausbildung des sog. Fettsteiß’ bei einigen afrikanischen Stämmen. Da diskutieren die Anthropologen, ob diese evolutionär als Reserve für Notzeiten oder als Folge männlicher Vorliebe für diese besondere Ausprägung zu deuten ist. Für eine ästhetische Rundfrage auf allen Erdteilen wurde dies allerdings nie thematisiert.

In unserem Zusammenhang war vor dem ersten Krieg auch bei unseren Damen ein ausladendes Hinterteil >schön<, was eindrücklich durch Zusatzpolsterung unterstrichen wurde, dem sog. ‚Cul de Paris’. Eine Großtante musste sich damals die Häme gefallen lassen: Die arme Marianne, an der ist doch überhaupt nichts dran, was einem Mann Freude macht, tuschelten die gutgepolsterten Damen. Nach dem Krieg war dann alles anders: Neidvoll riefen selbige aus: Wie macht das die Marianne, immer so wunderbar rank und schlank zu bleiben?!

Die alten Griechen schufen Statuen von (bei uns) anerkannter Schönheit wie z. B. die der Aphrodite, die allerdings heute bei keinem Next-Top-Model-Bewerb auch nur irgendeine Chance hätte.

Menschliche Schönheit ist also eine Frage der Zeit und damit der Mode, aber auch innerhalb einer Strömung gibt es immer mehr unterschiedliche Systeme. Im Mittelalter gab’s Kleiderordnungen für die Stände, heute ist es eher eine Gesinnungsdemonstration, was eine/r trägt. Es entstehen Untergruppen mit jeweils eigenem Kanon. Die Jäger beispielsweise sind mit ihrer Vorliebe für Tarngrün, Kniebundhosen und Haferlschuhe in der Gesamtgesellschaft noch relativ integriert, auch die sog. Adeligen haben ihren eigenen Stil unauffälliger (ländlich-sittlicher) Gediegenheit, und Tracht ist nach langen Jahren wieder hochaktuell und entwickelt gerade ein eigenes ästhetisches System, das mit der ‚Klassik’ nur bedingt zu tun hat: Neuerdings gefallen sich Damen in kurzen und langen Lederhosen samt breitem Hosenlatz, ein funktionales Missverständnis, das mit Emanzipation wohl nichts zu tun hat. Aber, wenn’s gefällt, also >schön< ist, ist wohl jede Verirrung recht. Allfällige männliche Vorlieben für großes Dekolleté oder Minirock samt Stöckelschuhen haben es da schon schwerer ...

Antagonistische Gruppen wie etwa die Punks pflegen einen gesonderten Stil der Verneinung, der für sich genommen durchaus >Schönheit< (der Frisuren z. B.) hervorbringen kann, wenn nicht gerade der pure Kult des Hässlichen angesagt ist: Je abstoßender und provokativer, umso >schöner<. Cool, nicht zu verwechseln mit dem ‚Cul de Paris’ (s. o.), also ungerührt (im Widerspruch) zu sein, ist zu einer eigenen ästhetischen Selbstdarstellungsform geworden. Und immer schon schwappte so manches Antiverhalten in den Hauptstrom über, wird beispielsweise Tätowierung immer verbreiteter, eigentlich eine Unterschichtsmarotte aus Hoffnungslosigkeit (Jetzt! – und keine Zukunft) von Knackis und Matrosen. Künstlich verschlissene, ja zerfetzte Jeans geben z. Zt. den Modebewussten ein besonderes Flair des Kontrasts, dass die abgetragenen ‚Cowboy-Hosen’ dem Protest der 68er-Bewegung gegen die rigiden Kleidungsvorschriften der Nachkriegszeit mit Bügelfalte und Krawatte entstammen, ist der modebewussten Dame eher nicht bewusst, die den Kontrast von Lumpen und Designerteilen entzückend findet.

Also, um die Architektenfrage noch einmal zu stellen: Was ist schon >schön<? Und wer gibt dafür die Regeln aus?

In der zeitgenössischen Kunst ist >Schönheit< eher nicht gefragt, eine >schöne< ‚Arbeit’ bemüht sich selten um Harmonie und sog. >Schönheit<. Die sind eher noch im Museum und bei werkgetreuen Aufführungen der Klassiker zu finden. Spätestens ab dem ersten Krieg gelten andere Regeln, hat sich der Kanon unserer Kultur grundlegend geändert, das überkommene ‚triviale’ Bedürfnis nach >Schönheit< wird meist mit Kitsch und der volkstümlichen Musik befriedigt.

>Schönheit< entsteht aus einem Bedürfnis nach Harmonie und Ebenmäßigkeit innerhalb gesellschaftlicher Übereinkunft. Aber warum sind >schöne< Menschen für alle so ‚gebenedeit’? Warum finden wir sie so erstrebenswert und anziehend? Was verspricht uns ihre >Schönheit<, vom gesellschaftlichen Prestige einmal abgesehen? Verspricht sie unserem Instinkt evolutionär Gesundheit?

Sich an >Schönheit< zu erfreuen, erhebt offenbar die ‚Seele’. Fühlen wir uns hingezogen zu einer Vollkommenheit, einer Auserwähltheit aus einer ‚Gottesgabe’? Eine Zufallsmutation kann schlecht eine ‚Gottesgabe’, eine Auserwähltheit sein, oder manifestiert sich darin doch eine evolutionäre Strategie? Viele Schöne rufen jedenfalls dieses Gefühl hervor. Natürlich wissen diese (Damen, meistens) um ihre Wirkung und viele nützen sie gnadenlos aus, ganze Lebensentwürfe gründen darauf.

In unserer Zivilisation spielt allen zerfetzten Jeans zum Trotz weibliche >Schönheit< eine beherrschende Rolle. Nicht nur die Frauenzeitschriften quellen über vom einschlägigen Thema der weiblichen >Schönheit< und wie sie zu erreichen bzw. zu erhalten ist, und immer noch gilt weitgehend der Satz der Tante Jolesch: Alles, was ein Mann schöner ist als ein Aff, ... . Das macht das Leben karrierebewusster Damen ja auch um einiges härter, da ja der Zwang zur >Schönheit< für die meisten nie aufhört. Die deutsche Kanzlerin Angela und ihre Heeresministerin Ursula als gegensätzliche Herangehensweisen.

>Schönheit< ist eine der letzten großen Ungerechtigkeiten im allgemeinen Trend zur Gleichheit, zumindest bei den Chancen. Vielleicht gelingt es eines Tages durch genetische Eingriffe Mindeststandards im Aussehen zu erreichen. Zur Zeit aber hat die Schönheitschirurgie Hochsaison, schon 14-Jährige gieren nach Brustvergrößerung und geschwollenen, weil aufgespritzten Lippen. Auch Penisvergrößerungen werden immer wieder angepriesen, ob diese >Schönheit< bewirken, werden Homosexuelle eher beurteilen können.     

>Schönheit< und ihr (gezieltes) Gegenteil ist allgegenwärtig, die Designer von Allem und Jedem gestalten unsere Welt durch, ob wir darob glücklichere Menschen in einer >schöneren< Umgebung werden, das ist allerdings noch die Frage.